CAD-Daten für Modelleisenbahn

In der letzten Zeit erlebt das Hobby Modelleisenbahn einen rasanten Aufschwung. Für ernsthafte Modelleisenbahner steht dabei aber gar nicht der Erwerb neuer Fahrzeuge im Vordergrund, sondern der Neubau oder auch die Veränderung bestehender Serienfahrzeuge.

Genau das macht auch Herr Beylich. Er ist Mitglied in einem Club, der sich für den Erhalt alter Modelleisenbahnen aus der ehemaligen DDR einsetzt.

„Die Veränderung bestehender Serienfahrzeuge war auch der Anlass für das hier beschriebene Projekt in der Nenngröße TT (Maßstab 1:120). Die von der Industrie (Berliner TT-Bahnen) angebotenen Doppelstockzüge wurden von den 60er Jahren an noch bis nach der Wende produziert. Sie stellen das Vorbild aus den 60er Jahren dar und sind auch technisch auf diesem Stand. Während es z. B. in der Nenngröße H0 (Maßstab 1:87) Weiterentwicklungen gab, blieben diese für die Größe TT aus, obwohl sich viele Modelleisenbahner dieser Sparte das gewünscht hätten.
Das war der Grund, warum ich mich entschlossen habe, diese Lücke zu schließen und zunächst eine Kleinserie der in den späten 70er Jahren gebauten Doppelstockzüge aufzulegen.“, so Herr Beylich über seine Arbeit.

Für den genauen Nachbau sollen die Modelleisenbahnen gescannt und die CAD-Daten erstellt werden. Aus diesen Daten sollen zum einen Wagenfenster nachgefertigt werden und zum anderen Fronten eines jüngeren Wagentyps neu entwickelt werden.
In beiden Fällen bildeten die von sigma3D erstellten 3D-Modelle die Basis für die Fertigung.

Nachfertigung der Wagenfenster

Die neuen Wagenfenster sollen nach Vorlage der vorhanden Wagenfenster ersetzt und erneuert werden. Die Herausforderung besteht hier in der hohen Genauigkeit, da die neuen Fenster in die schon vorhandenen Aussparungen der Wagen passen sollen.

Die geforderte Toleranz für die neu gefertigten Bauteile von ±0,05mm muss also eingehalten werden und der Scan der Bauteile mit entsprechender Präzision erfolgen. Zum Einsatz kam daher das GOM ATOS 5 Messsystem mit einem 170mm-Messfeld und einer Genauigkeit von unter 0.005mm Kugelabstandsabweichung. Wegen der Transparenz der Wagenfenster wurden diese vor dem Scannen mit einem Sprühpulver (Titanoxid) eingesprüht, um ein präzises Messergebnis zur garantieren.

Die Daten des Scans mit dem ATOS 5 bilden die Grundlage für eine passgenaue Nachkonstruktion (Reverse Engineering). Die Scandaten wurden zur Weiterverarbeitung in ein CAD-Modell im step-Format umgewandelt und an das Werkzeugunternehmen zur Fertigung des Spritzgießwerkzeuges weitergeleitet.
Zur weiteren Verarbeitung wurden die Fensterrahmen durch die Firma Herzog-Industriedruck bedruckt. sigma3D hat die entsprechenden Daten Herzog-Industriedruck für einen reibungsloseren Ablauf zur Verfügung gestellt.

Hintergrund zum Spritzgießverfahren:

Beim Spritzgießverfahren wird verflüssigter Kunststoff unter Druck in die Kavitäten eines Gießwerkzeugs gedrückt. Die Kavitäten bilden mit ihren Geometrien die Form des Bauteils ab, wodurch die Bauteile hergestellt werden. Für die Fertigung des Werkzeugs benötigt man CAD-Daten des jeweiligen Bauteils, in diesem Fall der Wagenfenster.

Neuentwicklung der Wagenfront

Eine weitere Aufgabe ist die Modellierung der Wagenfront des Bahnmodells aus dem Jahre 1975. Das besondere hierbei ist, dass es dieses Bahnmodell nie als Modellbahn gab. Es soll also aus den vorhandenen älteren Baujahren das Modell so angepasst werden, dass es abgeändert wieder auf eine alte Modellbaureihe eingeklebt werden kann.

Da es zur Entwicklung der Wagenfront keine Vorlage gibt, kam nur eine indirekte Vorgehensweise bei der Datengewinnung infrage. Wie im ersten Teil wurden auch hier die Bauteile, dieses Mal die Wagen, mit dem GOM ATOS 5 Scanner gescannt. Anschließend wurden die vorderen und hinteren Wagenfronten des vorhandenen Baujahres rückkonstruiert, wobei selbst feinste Details wie außen entlanglaufende Stromkabel modelliert wurden.


Danach wurden die Detailunterschiede des Nachfolgemodell (geänderte Fenster, Trittbrett, Haltebügel) konstruktiv eingebracht. Die Informationen hierzu steuerte der Kunde bei. Auf vorhandenen Fotos des Folgebaujahres hat er die Unterschiede fachlich in Augenschein genommen und die Maße der entsprechenden Bauteile herausgezogen. Mithilfe des Skalierungsfaktors wurden dann die Änderungsgeometrien in den passenden Abmaßen modelliert und als CAD-Modell exportiert. Auf dieser Grundlage werden die Wagenfronten nun mithilfe eines 3D-Druckers gedruckt und dann entsprechend angebracht.

Hintergrund zum 3D-Druckverfahren mittels Fused Diposition Modeling:

Da bei diesem Projekt eine hohe Druckgenauigkeit von Nöten ist, wird hier auf das üblichere, aber auch günstigere FDM-Verfahren zugunsten des feineren SLA-Drucks verzichtet.
Beim 3D-Druckverfahren mittels FDM-Druckes wird erhitzter Kunststoff aus einer feinen Düse in Schichten auf eine Platte aufgespritzt. Diese Schichten bilden dann in Summe das Bauteil ab.

Die fertigen Bauteile, also die Wagenfenster, sowie die Fronten sind inzwischen in die vorhandenen Wagenteile eingebaut worden und wir freuen uns zu hören, dass alles passt, wie geplant.